Befunde aus dem Juli & November 2020

Befunde zur Befragungswelle 3 im Juli/August 2020 und Befragungswelle 4 im November 2020: Kurze Verschnaufpause bevor die Lage wieder an Ernst gewann

unter Mitarbeit von Merle Wriedt

Bis in den Sommer des Jahres 2020 beruhigte sich die pandemische Lage weitestgehend, sodass fast ein Zustand der (neuen) Normalität eingetreten war. Zwar galten weiterhin niedrigschwellige Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung wie Maskenpflicht, Abstandgebot und AHA-Regeln, allerdings waren Kontaktbeschränkungen sowie Schließungen in weiten Teilen des Landes passé. Erste Anzeichen einer Rückkehr des hohen Infektionsgeschehens ergaben sich dann aber bereits ab dem Sommer: Intensiv wurde die Situation der Reiserückkehrer und der mit ihnen einhergehenden Gefahr diskutiert, der Virusverbreitung neuen Schub zu verleihen.

Im Herbst und Winter stiegen die Infektionszahlen dann wieder rasant und bis dato ungekanntem Ausmaß an, sodass trotz aller Beteuerungen – ein weiterer Lockdown werde nicht notwendig sein und Schulen müsse man auch nicht mehr schließen – erneut weitreichende Einschränkungen ab November und insbesondere Dezember 2020 notwendig wurden. In diesem Zeitraum haben wir die Menschen erneut danach gefragt, wo sie sich über das aktuelle Geschehen zu Corona informieren und wie sie die gesellschaftlichen und politischen Zustände in diesem Zusammenhang wahrnehmen.

Die Befunde nähren insgesamt den Eindruck, dass der Sommer als eine Art Verschnaufpause wahrgenommen wurde: Die Sorgen und Ängste nahmen zwischen der inzidenzarmen Zeit im Sommer ab und mit dem Beginn des neuerlichen Lockdowns im November 2020 zu. Ein weiteres Anzeichen der Zuspitzung der Lage ist darin zu sehen, dass zwischen dem Sommer und dem Herbst auch das Gefühl der Überforderung mit der Nachrichtenlage zugenommen hat.

Die Zufriedenheit mit dem politischen Krisenmanagement zeigte nach einer außerordentlichen Konstanz im ersten Pandemiejahr gegen Ende hin (November 2020) eine erste negative Tendenz. Das Vertrauen in die Medien war demgegenüber weitestgehend stabil. Hier zeigte sich lediglich eine Verschiebung bei denjenigen, die nur teils/teils der Meinung waren, man könnte der Medienberichterstattung in der Pandemie vertrauen, hin zu jenen, die sich dezidiert negativ äußerten, d.h. angaben, dass man sich bei diesem Thema nicht auf die Berichterstattung der Medien verlassen könne. Diesem Trend muss man jedoch gegenhalten, dass weiterhin knapp die Hälfte angab, Vertrauen zu haben. Auch mit Blick auf die Art der öffentlichen Diskussion, wie sie in der Coronapandemie wahrgenommen wurde, zeigte sich eine positive Einschätzung: Nur ein kleiner Teil nahm ein hohes Maß an Dramatisierung war. Auch hier zeigte sich, dass insbesondere in der inzidenzarmen Zeit im Juli 2020 noch mehr Befragte diesen Eindruck hatten, wohingegen im November mit zunehmendem Ernst der Lage der Eindruck einer dramatisierten Debatte wieder abnahm. Allerdings kann anhand dieser Daten nicht festgestellt werden, ob das lediglich ein veränderter Eindruck der Befragten war oder ob diesem auch ein tatsächlicher Wandel in der öffentlichen Debatten zugrunde lag.

Markant war jedoch, dass sich der Blick auf die Mitmenschen im Verlauf der Pandemie deutlich eingetrübt hat. Nach dem ersten Lockdown, in dem Zusammenhalt zur zentralen Maßgabe des Krisenmanagements erhoben wurde, lässt sich im weiteren Verlauf des ersten Pandemiejahres 2020 ein deutlicher Rückgang in der Wahrnehmung der Befragten beobachten, dass die Menschen in Deutschland zusammenstehen, um die Krise zu überwinden.

Im Folgenden werden die Befunde im Detail ausgeführt: 

Steigende Sorgen in der Bevölkerung

Einen Großteil der Befragten belastet insbesondere die Ungewissheit darüber, wann das Leben wieder zur Normalität zurückkehrt. Diese Ungewissheit hat von Juli 2020 (trifft für 42% der Befragten eher oder voll zu) bis November 2020 um fünf Prozentpunkte zugenommen. Grundsätzlich lässt sich ein leichter Anstieg der Sorgen und Ängsten zwischen der dritten und vierten Befragungswelle um jeweils zwei bis vier Prozentpunkte beobachten. Knapp die Hälfte der Befragten fühlt sich nicht dadurch belastet, die Situation nicht unter Kontrolle zu haben. Im Vergleich von Juli 2020 zu November 2020 teilten diese Einschätzung allerdings weniger Personen, es gab ein Minus von fünf Prozentpunkten. Mit den angeordneten Maßnahmen und damit, was erlaubt ist und was nicht, findet sich über die Hälfte der Befragten gut zurecht (57% der Befragten im Juli 2020 und 53% im November 2020).

Mach das Radio aus – schon wieder Corona!

Zwischen der dritten und vierten Befragungswelle lässt sich ein zunehmender Informationsüberdruss beobachten. 31% der Befragten gaben im Juli an, dass es zu viele Nachrichten zu Corona gibt, während es im November schon 38% der Befragten waren. Das Gefühl, dass man von Nachrichten zu Corona überschwemmt wird und dass es generell zu viele Nachrichten zu diesem Thema gibt, hat von Ende Juli bis November 2020 zugenommen. Zwar überwiegt im November 2020 der Anteil der Befragten, die finden, dass es zu viele Nachrichten über Corona gibt mit 38% gegenüber jenen, die überhaupt nicht diesen Eindruck haben (29%). Gelichzeitig hat der Großteil der Befragten jedoch den Eindruck, dass die Nachrichtenflut zu Corona nicht übertrieben ist. Daraus könnte sich die Annahme ableiten lassen, dass das Interesse an Nachrichten zum Thema nach wie vor groß war. 45% der Befragten waren im Juli nicht der Meinung, dass sie mehr Nachrichten zu Corona erhalten, als sie verarbeiten können, dieser Anteil ist im November um 6 Prozentpunkte auf 39% gesunken.

Vertrauen in die Politik sinkt leicht

Knapp die Hälfte der Befragten traut den politischen Entscheidungsträgern zu, die Krise zu lösen. Die höchste Zustimmung gaben die Befragten mit 50% im Befragungszeitraum Mitte April an, wobei dann im Juli (46%) und November (44%) die Zustimmungswerte zur Lösungskompetenz der Entscheidungsträger gesunken ist. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich bei der Bewertung der Arbeit der Entscheidungsträger in der Krise beobachten. Die höchsten Zustimmungswerte finden sich ebenfalls im April mit 52%, während sie im Juli (49%) und November (47%) tendenziell abnahmen. Bei der Bewertung der Überforderung der politischen Entscheidungsträger mit der Krise lassen sich keine eindeutigen Tendenzen erkennen. Jeweils ca. ein Drittel der Befragten stimmte der Aussage überhaupt nicht zu, teilweise zu oder voll und ganz zu. Hervorzuheben sind die Monate April und November – im April waren 37% der Befragten der Meinung, dass die politischen Entscheidungsträger nicht mit der Krise überfordert sind, während im November nur noch 30% der Befragten diese Angabe machten.

Das Medienvertrauen bleibt konstant

Das Vertrauen in die Medien in der Corona-Krise ist über alle vier Befragungszeiträume relativ konstant. Knapp die Hälfte der Befragten hatte den Eindruck, dass die Medien glaubwürdig sind, man ihnen vertrauen und sich auf sie verlassen kann. Ein minimaler Einbruch bei dieser Einschätzung lässt sich im Juli beobachten. Hierbei haben nur 46% der Befragten den Eindruck, dass man den etablierten Medien vertrauen kann, wohingegen es im April noch 51% waren. Im November ist wiederum die Hälfte der Befragten der Meinung, dass man den Medien vertrauen kann. Der Anteil der Befragten, der sich bei der Einschätzung der Vertrauens- und Glaubwürdigkeit der Medien nicht sicher ist (Antwortmöglichkeit „teils, teils“) liegt über alle vier Befragungszeiträume hinweg konstant bei etwa einem Drittel. Genauso liegt der Anteil der Befragten, die den Medien weder vertrauen, noch denken, dass sie glaubwürdig sind, im gesamten Zeitraum bei rund 14 bis 20 %.

Der Zusammenhalt in der Gesellschaft nimmt ab

Bezüglich des wahrgenommenen Gemeinschaftsgefühls lässt sich zwischen den Befragungszeiträumen März und April sowie Juli und November ein deutlicher Unterschied feststellen. Während in W1 und W2 noch 56% der Befragten den Eindruck hatten, dass alle ihr Bestes geben, um die Krise zu überwinden, waren es in W3 nur noch 37% und in W4 42%. Ein ähnlich drastischer Unterschied lässt sich in der Einschätzung beobachten, dass die Gesellschaft in der aktuellen Situation zusammenrückt, um die Schwachen zu schützen. Knapp 50% stimmten der Aussage im März und April noch zu, während diese Zustimmung sich im Juli (26%) und November (29%) fast halbierte. Ebenfalls abnehmend war die Zustimmung zur Aussage, dass Zusammenhalt in der aktuellen Krisensituation wichtig ist. Während im März (69%) und April (64%) noch über 60% der Befragten dieser Aussage zustimmten, waren es im Juli nur noch 53% (November 57%).

Geteilte Meinung über öffentliche Debatte

Der Großteil der Befragten ist nicht der Ansicht, dass die öffentliche Debatte dramatisiert wird (W1: 41%; W2: 45%; W3: 49%; W4: 46%). Gleichzeitig lässt sich eine leichte Zunahme hinsichtlich der Zustimmung zur empfundenen Dramatisierung der öffentlichen Debatte von W1-W3 (23%) bis November (26%) beobachten. In den Befragungszeiträumen April und Juli hatten weniger Befragte den Eindruck, dass in der öffentlichen Debatte Angst verbreitet wird (W2: 28% und W3: 27%), wohingegen sowohl zu Beginn der Pandemie (Ende März 2020) als auch gegen Ende des Jahres (Anfang November) der Eindruck unter den Befragten knapp 5 Prozentpunkte stärker war (W1: 33% und W4: 32%). Ein ähnliches Ergebnis lässt sich hinsichtlich des Eindrucks, dass ein Gefühl der Ohnmacht in der öffentlichen Debatte vermittelt wird, beobachten. Dieser war in den Befragungszeiträumen April und Juli (24% bzw. 23%) geringer als den Befragungszeiträumen März (28%) und November (30% Zustimmung).

Informationsnutzung gewinnt im November wieder an Intensität

Sowohl zwischen Ende März (W1) und Mitte April (W2) als auch im Übergang zu Ende Juli (W3) findet sich über alle Quellen hinweg ein Rückgang der Informationsnutzung. Besonders stark zeigt sich dieser Trend einmal bei der Informationsbeschaffung über private Nachrichten von Freunden, Kollegen und Bekannten auf sozialen Netzwerken (Differenz W1 - W2: - 17%) als auch bei der Angabe von Behörden, Forschungseinrichtungen sowie einzelnen Politikern und Wissenschaftlern als Quelle (Differenz W2 – W3: - 16%). Freunde, Kollegen und Bekannte auf sozialen Netzwerken spielten lediglich bei der ersten Befragungswelle im März eine Rolle (31%), während in allen anderen Befragungswellen nur knapp 15% der Befragten angaben, diese Quellen (nahezu) täglich zur Information zur nutzen.

 

Anfang November (W4) zeichnet sich dann wieder ein höheres Interesse insbesondere an den oben genannten Quellen ab (Differenz W3 – W4: + 5%), tendenziell ist aber eher eine Festigung der Informationsgewohnheiten in der Krise festzustellen.

Um sich zu informieren, haben die Befragten am häufigsten die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Onlineangebote genutzt (W1: 66%; W2: 64%; W3: 52%; W4: 57%). Neben den öffentlichen-rechtlichen Informationsangeboten informierten sich die Befragten hauptsächlich über Behörden und Forschungseinrichtungen. Diese Informationsquelle hat jedoch im Verlauf der Pandemie deutlich an Wichtigkeit für die Befragten verloren (W1: 57%, W2: 47%; W3: 31%; W4: 36%). Influencer auf sozialen Netzwerken wurden im Vergleich zu den anderen Medienangeboten nur wenig genutzt (W1: 18%; W2: 13%; W3 und W4: 11%).

Neben der Veränderung von Informationsquellen wurden in den Befragungsrunden auch zusätzliche Informationsquellen berücksichtigt - so etwa die Frage, inwieweit die Befragten Sprachassistenten zur Informationsnutzung heranzogen (nicht in der Grafik dargestellt). Sprachassistenten, die ab Welle 3 als Informationsquelle für Corona abgefragt wurden, spielen ebenfalls eine geringe, wenn auch gefestigte Rolle (W3: 8%, W4: 9%). Insgesamt nutzen jedoch 20% (W4: 19%) der Deutschen Sprachassistenten mindestens einmal pro Woche, um sich über Corona zu informieren.

 

Hintergründe zur Methode:

 Die verwendeten Daten beruhen auf einer mehrwelligen Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH, an der in der dritten Welle zwischen dem 28. Juli und dem 06. August 2020 2.062 Personen teilnahmen. In der vierten Befragungswelle zwischen dem 1. und 11. November nahmen 2053 Personen teil. Grundlage bildeten die Teilnehmer des YouGov-Panel Deutschland, die ausgehend von dem Mikrozensus nach den Merkmalen Alter, Geschlecht und Region so quotiert wurden, dass sie die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren repräsentieren.

 

Befunde zur dritten Befragungswelle Ende Juli 2020 sind hier veröffentlicht:

Viehmann, C., Ziegele, M., & Quiring, O. (2020). Gut informiert durch die Pandemie? Nutzung unterschiedlicher Informationsquellen in der Corona-Krise. Ergebnisse einer dreiwelligen Panelbefragung im Jahr 2020. MediaPerspektiven 11/2020, S. 556-577.